Georgius Schmid von Grüneck

Bischof von Chur 1908-1932


von Albert Fischer





In der Reihe der bald 100 Bischöfe, welche historisch nachweislich seit 451 dem Churer Sprengel vorgestanden haben und vorstehen, ragt zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht nur wegen seines fast 25 Jahre dauernden Episkopats, sondern auch wegen seiner nicht unumstrittenen geistlichen Persönlichkeit Georg[ius] Schmid von Grüneck hervor. Ob er “zweifellos eine der grössten und glänzendsten Gestalten” unter den Churer Ordinarien markiert, oder ob Schmid von Grüneck nicht doch “das Andenken eines energischen und tatkräftigen Bischofs mit einem gewissen Hang zum Herrischen” hinterlässt, wie jüngere Portraits dies herausstreichen, muss erst noch eine bislang (wegen den noch nicht geordneten Akten) ausstehende genauere wissenschaftlich fundierte Forschung seiner Amtszeit erarbeiten. Die hier vorliegende Beschreibung seiner Tätigkeit bis zur Bischofswahl und die Charakterisierung seines Episkopats zwischen 1908 und 1932 kann lediglich ein Gerüst zu einer späteren kritischen Aufarbeitung sein.

 

1. Stationen bis zur Bischofswahl 1908

 

Im bündnerischen Surrein (früher dt. Surrhein), einer Fraktion der politischen Gemeinde Sumvitg in der Surselva am Vorderrhein, erblickte Georg Schmid von Grüneck am 29. November 1851 das Licht der Welt. Er stammte aus einer alteingesessenen Notablenfamilie des Grauen/Oberen Bundes. Sein Vater, Martial Anton Modest Schmid von Grüneck, vermählt mit Maria Magdalena Crufer aus Domat/Ems, stand 1832 bis 1849 als Hauptmann und 1855 bis 1859 als Major in päpstlichen Diensten.

Die Grundschule besuchte Georg in Chur, wo die Familie zwischen 1852 und 1862 wohnte, dann wieder in seiner Heimat in Surrein, Sumvitg und Rabius, um im Herbst 1866 auf das Kollegium Maria-Hilf nach Schwyz zu wechseln, wo er mit Erfolg 1872 die Maturaprüfung bestand. Das darauf begonnene Medizinstudium brach er noch 1872 ab und reist nach London, wo er sich am St. Edmunds-Kolleg als Student für englische Sprache einschrieb. Nebenbei erteilte er Deutschunterricht. In England geprägt durch Kardinal Henry Edward Manning (Erzbischof von Westminster 1865-1892), einem ausgesprochenen Ultramontanisten, trat er Mitte Januar 1874 als Priesteramtskandidat im Seminar St. Luzi ein und wurde bereits am 1. August 1875 durch Weihbischof Kaspar Willi ordiniert (niedere Weihen am 21. März; Subdiakon am 27. März u. Diakon am 11. April 1875). Die unruhige Natur trieb es für kurze Zeit als Hilfslehrer ans Kollegium nach Schwyz und alsbald wieder nach London, wo Schmid von Grüneck in der Pfarrei Hougton le Spring als mitarbeitender Priester wirkte. Zwischen 1876 und 1878 finden wir den jungen Geistlichen an der Dominikanerhochschule Santa Maria sopra Minerva in Rom als Doktorand in Kirchenrecht eingeschrieben. Nach seiner Promotion zum Doktor beider Rechte weilte er eine zeitlang in Frankreich als Privatlehrer im Kreise einer adeligen Familie (Marquis de Cony d’Arsy).

Von Bischof Kaspar Willi in die Diözese Chur zurückgerufen, wirkte Georg Schmid von Grüneck zwischen 1878 und 1880 als Lehrkraft an der Klosterschule in Disentis; danach dozierte er bis 1889 Kirchenrecht, Exegese und Pädagogik am Priesterseminar St. Luzi in Chur, wo er sich auch als (Lieder-)Komponist alsbald einen Namen machte.

1889 ernannte ihn Bischof Battaglia zum Kanzler. In dieser Funktion war Schmid von Grüneck die treibende Kraft bei der Gründung und ersten redaktionellen Betreuung des diözesanen Publikationsorgans “Folia Officiosa” (1895-1967). Ferner erschien eine neue überarbeitete dreisprachige Fassung (dt., ital., romanisch) des diözesanen Katechismus unter der redaktionellen Hauptarbeit Schmids. Nicht zuletzt gelang es ihm als rechte Hand des Bischofs für die Diasporaregionen in den Kantonen Zürich, Glarus und Graubünden und für den Ausbau der dortigen Seelsorgestationen die dafür nötigen Gelder zu beschaffen, über deren Rechnungsführung er nicht nur in eigener Person wachte, sondern dadurch auch immer stärkere Einflussnahme in der Vergabe solcher Gelder gewann.

1898 schliesslich wurde der emsige Arbeiter aber auch zielstrebige kirchliche Karrierenmann (seit 1895 nichtresidierender Domherr) Generalvikar, Offizial und gleichzeitig noch Regens am Priesterseminar (bis 1908). In der Zeitspanne von 1898 bis 1908 wurden in Chur 123 Alumnen zu Priestern ordiniert, wobei die Zahl 1905 auf 10 und 1906 bis 1908 noch auf je 6 sank (max. 1899: 19). In der Funktion des Regens ging Georg Schmid von Grüneck nach Abschluss der St. Luzi-Kirchenrenovierung (1885-1889) als Erbauer des Florintrakts in die Geschichte der Churer Klerikerschmiede ein (1898). Das solide viergeschossige Gebäude mit grosser Dachterrasse und einem turmartigen Aufsatz gegen Westen, der ein Pendant zum Dachreiter der Seminarkirche bildete, war bereits 1899 bezugsbereit. Der wandgetäfelte, lichtdurchflutete Speisesaal, der bis heute in dieser Funktion genutzt wird, gehört mit zum Vorzeigeresultat dieses grosszügigen, unter der Leitung des Architekten August Hardegger aus St. Gallen (1858-1927, Hauptvertreter des Historismus) stehenden Erweiterungsbaus in St. Luzi an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. Hardegger wirkte ferner als verantwortlicher Architekt beim Bau der Kirchen Herz-Jesu in Zürich-Oerlikon (1891-1892), Liebfrauen in Zürich-Stadt (1892-1894) und Hl. Dreifaltigkeit in Bülach (1900-1902).

Überschaut man die bisherige Laufbahn des Geistlichen aus Surrein, erstaunt es wenig, wenn am 7. Mai 1908 das fast vollständig versammelte Churer Domkapitel (6 Residentiale, 18 Nichtresidentiale) – von diesen 24 waren 3 abwesend – im vierten Wahlgang durch absolutes Mehr Georg Schmid von Grüneck als Nachfolger des altershalber am 12. Februar 1908 zurückgetretenen Johannes Fidelis Battaglia zum neuen Bischof von Chur wählte. Die anderen Stimmen fielen auf Domherr Antonius Gisler. Der Elekt kommentierte seine Wahl mit folgenden Worten äusserst selbstsicher und entsprach ‘demütig’ dem Entscheid der Kanoniker:

Berufen von der göttlichen Vorsehung und in den Vorhof des Episkopates gestellt, wo ich beinahe zwanzig Jahre lang alles und jedes lernen konnte, was zur Verwaltung einer Diözese gehört,

– geheissen vom Papst in der Audienz vom 27. März des Jahres, die Arbeit für die Kirche Gottes nicht zurückzuweisen, sondern eine etwa auf mich fallende Wahl anzunehmen,

– gewählt von euch, ehrwürdige und geliebte Brüder, die ihr, nach Anrufung des Hl. Geistes durch einen Eid euch verpflichtet habt, bei der Wahl des Bischofs nicht auf die Person zu schauen, sondern auf das Wohl und den Nutzen der hl. Kirche Gottes,

– so berufen und so geheissen und so gewählt kann ich nicht anders, als in dieser Wahl den Willen Gottes anzuerkennen, den Willen Gottes, dem ich nicht widerstehen darf; und einzig und allein von diesem Beweggrunde geleitet, erkläre ich, dass ich die von euch richtig vollzogene Wahl annehme. Ich hoffe, dass ich durch die Hilfe der göttlichen Gnade arbeite, wie ein guter Soldat Christi und dass ich treu befunden werde.

Entsprechend seines letzten Ausspruchs setzte Georg Schmid von Grüneck, der sich als Bischof immer Georgius schrieb, den Wahlspruch: “Sicut bonus miles Christi” – “Wie ein tapferer Soldat Christi”.

Nach Eintreffen der Konfirmation durch den Hl. Stuhl am 13. Juli 1908 empfing Schmid am 4. Oktober 1908 in der Kathedrale zu Chur durch seinen Vorgänger Battaglia die Bischofsweihe.

 

2. Als “miles fortis” Leiter des Bistums Chur

 

Der Wahlspruch war in der Tat ein deutlicher Ausdruck Schmids ganzer Erscheinung: In Wort und Tat entsprach er dem Bild eines wahren Kirchenfürsten von “pontifikaler Wucht und Würde”, welcher dem Bistum Chur längst vor seiner Elektion den “Stempel seiner starken Persönlichkeit” aufgedrückt hatte. – “Was macht euer ‘miles fortis’?” pflegte z. B. der Bischof von Lausanne, Genf und Fribourg, Marius Besson (1920-1945), Churer Kleriker ironisch anzusprechen.

Tatkräftig arbeitete Bischof Georgius wie bereits als Kanzler und Generalvikar an einer straffen Organisation seiner Diözese. Mit genauen Anweisungen wurden die schwierigen und teilweise recht komplizierten Vermögensverhältnisse in den einzelnen Pfarreien neu geordnet. Die verschiedenen Fonds (z. B. Pfrund-, Jahrzeiten- oder Kirchengebäudefonds) hatten säuberlich getrennt voneinander verwaltet zu werden.

Gleichzeitig bemühte er sich, die Arbeit seines Amtsvorgängers im Bereich der Diaspora weiterzuführen und unterstützte den Bau von Kirchen, die Errichtung neuer Pfarreien v.a. im Kanton Zürich und diverser Bildungs- und sozial-caritativer Einrichtungen in allen Teilen des Bistums. Zwischen 1908 und 1932 errichtete das bischöfliche Ordinariat im Kanton Zürich weitere 17 Pfarreien: St. Anton in Zürich-Hottingen (1908), St. Antonius in Kollbrunn (1910), Hl. Familie in Richterswil (1914), St. Josef in Zürich-Industriequartier (1916), St. Nikolaus in Homrechtikon (1919), Herz-Jesu in Zürich-Wiedikon (1921), Herz-Jesu in Hausen (1922), Liebfrauen in Hinwil (1922), St. Josef in Schlieren (1923), Guthirt in Zürich-Wipkingen (1923), Hl. Familie in Schönenberg (1924), St. Paul in Dielsdorf (1925), Maria Frieden in Dübendorf (1927), St. Anton in Wallisellen (1927), St. Benignus in Pfäffikon/ZH (1928), St. Franziskus in Zürich-Wollishofen (1928) und Hl. Dreifaltigkeit in Zollikon (1931).

Schmids Förderung und Investitionen für weitere (aber nicht verwirklichte) Umbaupläne im Seminar St. Luzi (1917/20) sowie für den Neubau des abgebrannten Kollegs in Schwyz (1911) und die Gesamtrestaurierung der Kathedrale zu Chur (1921–1928) erwuchsen ins Unermessliche, so dass die Finanzlage der Churer Diözese in ernsthafte, ja gefährliche Schieflage geriet (Defizit von mehreren Millionen). Den stetig wachsenden Schuldenberg abzutragen, bemühte sich unter grossem persönlichen Einsatz Pfarrer und Prälat Franz Höfliger (1892-1985). Der “Bettelprälat” reiste hierzu mehrmals bis nach Amerika und versuchte dort während seiner zweiten Reise 1928 – zwar ohne große Erfolgsaussichten, jedoch auf Druck des Bischofs – 41 Bilder aus der (zumeist privaten) Bildergalerie des Churer Ordinarius in Los Angeles in Geld umzuwandeln. Der Erfolg war, wie Höfliger befürchtet hatte, niederschmettert; die Kosten des Bildertransportes über den Atlantik übertrafen den verschwindend kleinen Erlös um ein Vielfaches.

Ab 1909/10 bemühte sich Georgius Schmid von Grüneck um die seit 1819 ausstehende definitive Aufnahme der bislang administrierten Kantone Uri, Ob- und Nidwalden in das Bistum Chur. Dabei hatte er den Artikel 50 der Bundesverfassung zu beachten, wonach die Errichtung von Bistümern bzw. auch eine Änderung der Zirkumskription bestehender Diözesen auf Schweizergebiet der Genehmigung des Bundes unterlag. Bei einer Vorbesprechung mit den Urkantonen am 24. Mai 1910 in Einsiedeln erklärte Schmid von Grüneck die von ihm angestrebte definitive Regelung der Bistumsfrage als eine auch vom Papst begrüsste Forderung, die sich im Interesse des kirchlichen Lebens, einer effizienteren Verwaltung des ausgedehnten Sprengels und als Voraussetzung für eine Diözesansynode stelle. Auch die Verwaltungskommission des bündnerischen Corpus Catholicum begrüsste eine endgültige Regelung des schon bald 100jährigen Provisoriums im Sinne des Churer Bischofs und beantragte 1914 dem Corpus Catholicum und zuhanden des Kleinen Rates des Kantons Graubünden, dem Entwurf eines Bistumsvertrags zuzustimmen. Anfang 1916 überreichte der Kleine Rat Uri, Schwyz, Unterwalden ob und nid dem Wald sowie Glarus den Entwurf, worin die Bündner stillschweigend die Streichung der seit 1526 virulent vorhandenen Forderung, nur ein Bündner könne Bischof von Chur sein, akzeptierten, womit das Paritätsprinzip aller Diözesanstände unwidersprochen blieb (freie Bischofswahl und Wahl von Kanonikern aus allen Bistumskantonen ins Domkapitel). Die nicht einfachen Verhandlungen zum Bistumsvertrag zogen sich jedoch bis ins Jahr 1928; Mitte jenen Jahres schien eine Einigung über den mehrfach überarbeiteten Vertragsentwurf in Griffnähe. Doch blieb der Wunsch des Bischofs nach einem Abschluss bis zu seinem Tod 1932 unerfüllt. Selbst spätere, wieder aufgenommene Verhandlungen unter Bischof Laurentius Matthias Vinzenz (1932-1941) und Christianus Caminada (1941-1962) führten zu keiner Lösung und verliefen im Sand der Zeit, so dass bis heute das Provisorium von 1819 fortbesteht und neue Forderungen nährt, die nach einem eigenen Bistum Zürich und/oder Bistum Urschweiz verlangen.

In dem seit altersher zum Bistum Chur gehörenden Fürstentum Liechenstein (1997 Abtrennung und Erhebung zum Erzbistum) wurde 1921 eine neue Verfassung ausgearbeitet und angenommen. Die überholten Vorstellungen von Bischof Georgius, der u.a. das Erziehungswesen allein der Kirche unterstellt wissen wollte, wurden von der liechtensteinischen Regierung abgelehnt; Erziehung und Bildung wurden zwar der staatlichen Aufsicht unterstellt, aber mit der Vorbehalt der Unantastbarkeit der kirchlichen Lehre. Die katholische Kirche, dafür kämpfte der Churer Bischof mit Erfolg, genoss auch in der neuen Verfassung als Landeskirche den vollen Schutz des Staates.

 

3. Als “miles fortis” Kämpfer in den geistig-kulturellen Umwälzungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts

 

Als besonders “tapferer Soldat” fasste Schmid von Grüneck sein bischöfliches Amt auf, wenn es galt, die wahre katholische Lehre (gegen die Einflüsse des Modernismus, Sozialismus und Liberalismus) zu verteidigen, so dass er alsbald als “der römischste aller Bischöfe in der Schweiz” bezeichnet wurde.

Insbesondere im Modernismusstreit folgte der Churer Bischof stramm der römischen Richtung, ja sogar auf der Ebene der Belletristik, und beauftragte damit den katholische Geistlichen, Schriftsteller und Chefredaktor bei der “Neuen Züricher Zeitung” (1900-1902) Heinrich Federer (1866-1928), dessen gegen Karl Muth, das “Hochland” und den Modernismus gerichtete Artikelserie in den “Neuen Zürcher Nachrichten” (1910) unter dem Pseudonym “Senex” einiges Aufsehen erregte. Denn Federer wurde im sog. “Stanser Pädophilenprozess” von 1902 wegen einer angeblichen homosexuellen Handlung an einem ihm anvertrauten zwölfjährigen Privatschüler in erster Instanz verurteilt und verlor seine Reputation und seine Arbeitsstelle bei der NZN; in zweiter Instanz wurde er jedoch vom Zürcher Obergericht freigesprochen.

Andererseits verteidigte Schmid von Grüneck loyal seinen langjährigen wie verdienstvollen Regens (1912-1932) und Dogmatikprofessor am Priesterseminar St. Luzi (seit 1893), Anton Gisler, den späteren Churer Weihbischof (1928-1932), als dieser selber durch seine fundierte, aber schwer lesbare Publikation “Der Modernismus” (Einsiedeln 1912) zu Unrecht unter die Räder der integralistischen Glaubenshüter geriet. Gislers kirchlicher Standort wurde bereits 1909 durch die Ernennung zum Päpstlichen Hausprälaten anerkannt.

Bischof Schmid, der sich bereits früher im deutschen Gewerkschaftsstreit zu Wort gemeldet hatte, widersetzte sich auch in der Schweiz rigoros allen Kompromissen und forderte rein katholische, zudem bischöflich kontrollierte Gewerkschaften. Seine Fastenmandat von 1919 war in diesem Sinn abgefasst. Von ihm stammte ferner der Entwurf für das Bettagsmandat der Schweizer Bischöfe von 1920, das die Gewerkschaftsfrage erneut behandelte. Seiner Forderung, denjenigen Katholiken, welche konfessionell neutralen Gewerkschaften angehörten, gar die Sakramente zu verweigern, folgten jedoch die übrigen Schweizer Bischöfe nicht. Selbst die römische Kurie gab Anweisungen zu einer milderen Auslegung der kirchlichen Lehre in der Seelsorge des Alltags.

 

4. Bischof Georgius als international anerkannter und vernetzter Kirchendiplomat im Ersten Weltkrieg

 

Aufgrund seiner Sprachenkenntnisse und Gewandtheit auf dem diplomatischen Parkett, schaltete im Ersten Weltkrieg Papst Benedikt XV. (1914-1922) Schmid von Grüneck in die internationalen Friedensbemühungen des Pontifex ein. Der bischöfliche Hof in Chur wurde in den Kriegsjahren 1914–1918 zu einem Zentrum der kirchlich-diplomatischen Interessenvertretung, die weit über die eifrig betriebene internationale Kriegscaritas hinausreichte und in der direkten Teilnahme Schmids an der berühmten Friedensoffensive Benedikts XV. im Sommer 1917 gipfelte. In der päpstlichen Note “Dès le début” vom 1. August 1917 schlug der Papst als neutraler Vermittler allen kriegsführenden Mächten Friedensverhandlungen vor. Er forderte Abrüstung, eine effektive internationale Schiedgerichtsbarkeit zur Vermeidung künftiger Kriege und den Verzicht auf Gebietsabtretungen. Damit wurden vom Vatikan wesentliche Grundzüge der internationalen Friedensbewegung der Vorkriegszeit aufgegriffen. Der Plan Benedikts wurde ausgeschlagen, da sich jede der Kriegsparteien als durch ihn benachteiligt ansah. Der Vatikan wurde in der Folge sogar von den Verhandlungen zum Waffenstillstand 1918 ausgeschlossen. In Chur wirkte Bischof Georgius das ihm Mögliche und gewährte dem damaligen Generaloberen des Jesuitenordens, P. Wladimir Ledóchowski (1915-1942), im St. Johannes-Stift in Zizers Aufnahme, so dass der Pater, durch den Kriegseintritt Italiens bedingt, die Ordensleitung von Rom in das bündnerische Zizers verlegen und von dort aus weiterführen konnte. Daselbst brachte er auch den flüchtigen König Ludwig III. von Bayern (1913-1918) unter. Zudem leitete Bischof Georgius diverse caritative Aktionen für Kriegsopfer in die Wege. Es herrschte eine Zeit des Elends, in der jedoch gerade die Presse von Schmids Erhebung in den Kardinalsstand munter zu spekulieren wusste.

 

5. Bischof Georgius als Komponist und Kirchenmusiker

 

Neben all diesen Kräfte raubenden Einsätzen als Hirte einer Diözese mit weitreichendem Administrationsgebiet und als Kirchendiplomat in Krisenzeiten auf europäischem Parkett fand Bischof Georgius Zeit und Musse zur Pflege seiner alten künstlerischen Neigungen, besonders jener der Musik. Seine entsprechenden Verdienste liegen in der Förderung des romanischen Chorgesangs, “den er als erster einheimischer Komponist von der deutschen Bevormundung befreite und dem er mit seinen kraftsprühenden patriotischen Liedern und Kriegschören Eigenständigkeit und Unabhängigkeit verlieh” (hrsg. in den “Flurs Alpinas dedicadas als Cantadurs Grischuns”, gedruckt bei A. Keel, Chur 1906, 214 Seiten). Auch die Kirchenmusik hat er mit durchaus wertvollen Kompositionen bereichert (Messen, Requien, Antiphonen, Responsorien und diverse Marienlieder), deren Originale trotz intensiver Nachforschungen erstaunlicherweise weder im Bischöflichen Archiv Chur noch in den Räumen des Churer Ordinariats aufzufinden sind.

 

Im Amt des Vorsitzenden der Schweizerischen Bischofskonferenz (1925-1932) starb Georgius Schmid von Grüneck am 6. Mai 1932 in Chur, nachdem er um wenige Monate seinen eigenen Koadjutor und Weihbischof Antonius Gisler überlebt hatte (gest. am 4. Januar 1932 im Kreuzspital Chur) und wurde unter grosser Anteilnahme der Gläubigen des ganzen Bistums Chur auf dem Bischofsfriedhof vor der Kathedrale zu Chur beigesetzt.

Das vatikanische Organ, der “Osservatore Romano”, rühmte den Verstorbenen als “geistesgewaltigen Kirchenfürst von internationalem Format und Zeitgenosse universaler Prägung”. Der Schweizer Episkopat verliere mit dem Tod Schmids von Grüneck “eines seiner hervorragendsten Mitglieder, hervorragendst wegen seiner Geistesschärfe, umfassenden wissenschaftlichen Bildung, seiner eindrucksvollen Würde, seiner Festigkeit in der Regierung und seiner Seelenkenntnis”. Diese ruhmreiche Hymne wird sich wohl schwerlich in allen genannten Belangen durch eine wissenschaftliche Erforschung seines Episkopats erhärten können.