Karl Rudolf von Buol-Schauenstein
1794–1833
von Albert Fischer
Karl Rudolf von Buol-Schauenstein wurde am 30. Juni 1760 in Innsbruck geboren. Die adelige Familie von Buol war eines der bedeutendsten Geschlechter Graubündens. Mehrere ihrer Mitglieder hatten hohe militärische Positionen und Beamtenstellungen in österreichischen und französischen Diensten innegehabt, und noch ein Neffe des späteren Bischofs Karl Rudolf bekleidete von 1852-1859 das Amt des österreichischen Aussenministers.
Nach dem Gymnasiumbesuch in Feldkirch, absolvierte von Buol das Philosophiestudium in seiner Geburtsstadt, wechselte für die theologischen Fächer dann nach einem Zwischenaufenthalt am Collegio Germanico (1778/79) an die Universität Dillingen. Als Kleriker, aber noch nicht zum Priester geweiht, bekleidete er seit 1781 das Amt des Churer Domkantors. In Chur wurde er 1783 zum Priester geweiht. Eine eigentliche seelsorgerliche Tätigkeit auf Pfarreiebene hatte von Buol nie ausgeübt. Mit nur 34 Jahren wurde er am 22. Januar 1794 im ersten Wahlgang mit grosser Mehrheit von den Churer Kanonikern zum Bischof gewählt; im September erfolgte die päpstliche Bestätigung und am 5. Oktober 1794 spendete ihm der Brixener Fürstbischof in Brixen die Bischofsweihe. 1796 erhielt er als letzter geistlicher Churer Reichsfürst die Regalien.
Unter Buols Episkopat erfolgte die einschneidendste Umgestaltung des Bistums Chur seit dem 9. Jahrhundert, in dessen österreichischen Anteilen (Vorarlberg, Vinschgau) übrigens die josephinische Gesetzgebung unter den Kaisern Leopold II. und Franz II. nicht zurückgenommen wurde.
Als 1799 französische Truppen in das mit Österreich verbündete Graubünden vorstiessen, flüchtete Buol ins Montafon, dann weiter nach Meran, von wo er mit Hilfe seines Kanzlers Johann Joseph Baal, welcher in Chur verblieb, den Bündner Bistumsanteil weiter zu leiten versuchte. Bischof Karl Rudolf lehnte das 1801 an ihn gerichtete Ersuchen des Churer Domkapitels um Rückkehr in das 1799 unter französischem Druck in die Helvetische Republik eingetretene Graubünden zunächst mit der Begründung ab, dass seine Residenz in Chur trotz reichsrechtlicher Sonderstellung mit der Einquartierung von Truppen widerrechtlich besetzt worden sei, begab sich aber 1802 dennoch in die Bischofsstadt. Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 – in seinen weitesten Teilen ein französisches Diktat – brachte das Ende des Fürstbistums und die Einziehung der bischöflichen Güter in Österreich, nicht aber in Graubünden.
Nachdem 1805 die österreichischen Bistumsteile an Bayern gefallen waren und die bayerische Regierung ihr System staatlicher Kirchenhoheit, insbesondere aber die Reglementierung der Priesterausbildung und die Besetzung der geistlichen Stellen auf das neu erworbene Gebiet anwenden wollte, leistete von Buol, der 1801 in Meran überhaupt das erste Churer Priesterseminar eröffnen konnte, zusammen mit den Fürstbischöfen von Brixen und Trient entschiedenen Widerstand. Stütze in diesem Kampf fand er auch im von den staatlichen Eingriffen betroffenen Klerus. Die Regierung reagierte vorerst mit der Stornierung des bischöflichen Gehalts, zitierte den Bischof schliesslich nach Innsbruck und liess ihn aufgrund seines ungebrochenen Widerstands 1807 über die Grenze nach Graubünden schaffen. Mit seiner Ausweisung schlossen auch die Tore des Meraner Seminars; im ehemaligen Prämonstratenserkloster St. Luzi in Chur fand die diözesane Priesterausbildung aber noch 1807 eine neue, bis heute bestehende Stätte.
1808 verzichtete Karl Rudolf von Buol-Schauenstein gegenüber Papst Pius VII. auf die nun bayerischen Bistumsteile, die 1809 provisorisch den Bistümern Brixen und Trient zugeschlagen wurden. 1816 verlor Chur das Vorarlberg und den Vinschgau definitiv, – jenes Territorium, welches seit der Reformation nicht zuletzt auch die zuverlässigste finanzielle Basis der hochverschuldeten Diözese gebildet hatte.
Weil Buol-Schauenstein der Unterstützung des Volksaufstandes im Tirol (1809) verdächtigt wurde, musste er sich zwischen 1809 und Ende 1814 nach Solothurn zurückziehen. Kaiser Franz II. lohnte die Treue des Churer Oberhirten 1810 mit der Verleihung der Propstei Vyšehrad bei Prag und der Herrschaft Schüttenitz an der Elbe; eine vom Kaiser unterstützte Berufung zum Erzbischof von Lemberg schlug Buol jedoch aus.
1819 erhielt die geschrumpfte Churer Diözese (nur noch Graubünden und Liechtenstein) sämtliche Gebiete der Schweizer Quart des Bistums Konstanz, das 1821/27 aufgelöst wurde. Während der Stand Schwyz sich bereits 1824 definitiv dem Bistum Chur anschloss, führten Verhandlungen mit den übrigen Urkantonen nie zum Erfolg, so dass Uri (ohne Urserntal) sowie Ob- und Nidwalden, aber auch Zürich und Glarus bis heute nur provisorisch dem Churer Sprengel zugeordnet sind. Die Kantone Bern, Luzern, Zug und Solothurn fielen 1828, Thurgau und Aargau 1830 an das Bistum Basel.
Nach der Aufhebung der Fürstabtei St. Gallen durch die Regierung von St. Gallen (1805) wurde von Rom 1823 ein Doppelbistum Chur-St. Gallen errichtet; in der Gallusstadt amtete ein eigener Generalvikar. Bis 1836 wurde das Gebiet der ehemaligen Fürstabtei, der Stadt St. Gallen und die dazugehörenden Gemeinen Herrschaften in Personalunion mit Chur verwaltet, aufgrund wachsenden Widerstandes jedoch 1847 getrennt und St. Gallen zu einer eigenen Diözese erhoben.
1833 starb Buol in der bischöflichen Residenz in St. Gallen als letzter geistlicher Fürst des seit 1806 nicht mehr existierenden Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Seine letzte Ruhestätte fand er in der Kathedrale zu Chur.